Die Entwicklung der internationalen und europäischen Biodiversitätspolitik hat ihre Wurzeln im Jahr 1992, als der Prozess zur Übereinkunft über die Biodiversität (Convention on Biological Diversity, CBD) angestoßen wurde.
In neuerer Zeit, etwa ab den 2010er Jahren, wurden die Ambitionen um eine wirksame Biodiversitätspolitik deutlich verstärkt. Auf globaler Ebene wurde 2022 mit dem Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework (GBF) ein Meilenstein realisiert.
Auf EU-Ebene wurden seit 2019 bis heute ebenfalls ambitionierte Gesetze verabschiedet und mit dem der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) ein gültiger Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erarbeitet.
Internationale Abkommen Der Startpunkt der globalen Biodiversitätspolitik
Der Ausgangspunkt der internationalen Biodiversitätspolitik ist u.a. die Convention on Biological Diversity (CBD) von 1992, welche in Rio de Janeiro stattfand. Dieses Abkommen legt die Grundlage für den globalen Schutz der Biodiversität, die nachhaltige Nutzung der Ressourcen und die gerechte Teilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen. Die erste Conference of Parties (CBD COP-1) wurde 1994 in Nassau abgehalten.
Auf Basis der CBD wurden in Nagoya bei der COP10 die zwanzig Aichi Biodiversity Targets (2010-2020) verabschiedet, die den Rahmen für nationale Biodiversitätsstrategien und -aktionspläne (NBSAPs) bildeten. Nach dem Auslaufen und nicht erreichen der Aichi-Ziele, folgte 2022 das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF), das 23 neue globale Ziele bis 2030 für den Schutz der Biodiversität setzt (Abb.1). Für die Wirtschaft sind insbesondere die Ziele Nr. 10, 14 und 15 von Bedeutung (Weiterführende Informationen zu den Zielen können dem Sondernewsletter von Biodiversity in Good Company COP 15 entnommen werden.).
Aktuell befinden wir uns in der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021–2030). Diese setzt sich als Ziel den weltweiten Verlust und die Degradierung von Ökosystemen zu verhindern, aufzuhalten und umzukehren. Somit ist sie im Einklang mit den siebzehn Nachhaltigkeitszielen (sustainable development goals, SDGs) der Vereinten Nationen sowie den genannten UN-Konventionen zur biologischen Vielfalt (CBD), und zum Klimawandel (UNFCCC) und zur Wüstenbekämpfung (UNCCD).
Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) ist eine unabhängige zwischenstaatliche Organisation, ähnlich dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Sie liefert wissenschaftliche Erkenntnisse und Empfehlungen. IPBES hat u.a. die Rolle der Wissenschaft gestärkt und auf die Dringlichkeit des Biodiversitätsschutzes aufmerksam gemacht.
Derzeit erarbeitet IPBES einen Bericht zur Bewertung der Auswirkungen und Abhängigkeiten von Unternehmen und Biodiversität („Business and Biodiversity Assessment“). Der Bericht zielt darauf ab, den Zusammenhang zwischen Wirtschaftstätigkeiten und Biodiversität detailliert zu analysieren und Wege aufzuzeigen, wie Unternehmen zur Erhaltung der Biodiversität beitragen können. Durch seine Arbeit unterstützt IPBES eine evidenzbasierte Politikgestaltung und bietet eine wichtige Grundlage für die Entwicklung nachhaltiger Strategien zur Bewältigung der Biodiversitätskrise.
Die internationale Biodiversitätspolitik steht im Zusammenhang mit dem globalen Recht auf nachhaltige Entwicklung, welches ebenfalls 1992 auf dem Weltgipfel in Rio formuliert und beschlossen wurde. Nachhaltigkeitsinitiativen, wie die 1997 gegründete Global Reporting Initiative (GRI) bilden bis heute ein sich weiter entwickelndes Rahmenwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Organisationen und Unternehmen weltweit.
Um die globalen Vorgaben der CBD auf nationaler Ebene umzusetzen, entwickelten die 196 Vertragsstaaten, darunter auch Deutschland, Nationale Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (NBSAPs). Diese Pläne sind das zentrale Werkzeug, um die Ziele der CBD in konkrete, auf das jeweilige Land zugeschnittene Maßnahmen zu übersetzen. Sie werden regelmäßig angepasst, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden.
Europäische Biodiversitätsstrategien Ambitionen für den Kontinent
Die Europäische Union (EU) hat die internationalen Biodiversitätsziele durch eigene Strategien konkretisiert. Die EU-Biodiversitätsstrategie 2020 zielte darauf ab, den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa bis 2020 zu stoppen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurde 2020 die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 als Teil des European Green Deal verabschiedet. Diese Strategie stellt klar, dass die Erhaltung der Biodiversität auch für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Resilienz unerlässlich ist.
EU-Richtlinien: Verbindliche Vorgaben für Unternehmen
Zur Unterstützung der Biodiversitätsziele hat die EU mehrere verbindliche Richtlinien und Verordnungen erlassen:
- Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD):
Die CSRD erweitert die Berichtspflichten von Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsleistung, einschließlich Biodiversität. Besonders relevant ist der Standard ESRS E4, der Unternehmen verpflichtet, über ihre Auswirkungen auf die Biodiversität und Ökosystemleistungen zu berichten. Unternehmen müssen offenlegen, wie sie Biodiversitätsrisiken managen und welche Maßnahmen sie zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur ergreifen.
In der Videoaufzeichnung des Digitalen Dialogs zum Thema „Eine praxisnahe Einführung in das Reporting über Biodiversität“ und unserer Mediathek erfahren Sie, welche konkreten Tools (ENCORE, WWF Risk Filter suite (beide kostenfrei) und weitere KI-gestützte Tools) Sie beim Reporting unterstützen können. Außerdem erfahren Sie dort mehr über die Arbeit der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zur Festlegung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS).
- EU Deforestation Regulation (EUDR):
Diese Verordnung zielt darauf ab, die Einfuhr von Produkten zu unterbinden, die mit Entwaldung und Walddegradierung in Verbindung stehen. Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Produkte nicht zur Entwaldung beitragen, was die Lieferketten nachhaltiger macht und die globalen Wälder schützt. - Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD):
Die CSDDD verpflichtet Unternehmen zur Sorgfaltspflicht hinsichtlich Umwelt- und Menschenrechtsrisiken, einschließlich des Schutzes der Biodiversität. Unternehmen müssen identifizierte Risiken entlang ihrer Lieferketten adressieren und Maßnahmen zur Schadensminderung umsetzen. - EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (EU-Restoration Law):
Dieses Gesetz ist eine Schlüsselinitiative der EU zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme. Es verpflichtet die Mitgliedstaaten bis 2050, Maßnahmen zur Wiederherstellung von Wäldern, Mooren, Feuchtgebieten und anderen natürlichen Lebensräumen vollständig zu ergreifen. Dies kann beispielsweise für Unternehmen aus der Bau- und Infrastrukturbranche sowie in Anlehnung an den landwirtschaftlichen Betrieb relevant sein.
Durch das EU-Restoration Law ergeben sich für Unternehmen aber auch neue Chancen. Einige Mitglieder von Biodiversity in Good Company setzen sich beispielsweise schon jetzt für den großflächigen Erhalt wertvoller Lebensräume und Kohlenstoffsenken ein und positionieren sich dadurch erfolgreich als nachhaltiges Unternehmen.
Kurzversion Entwicklung der internationalen und europäischen Biodiversitätspolitik
Die Entwicklung der internationalen und europäischen Biodiversitätspolitik hat ihren Ursprung in der Übereinkunft über die biologische Vielfalt (CBD) von 1992. Seit den 2010er Jahren haben sich die Ambitionen zur Biodiversitätspolitik erheblich verstärkt, insbesondere mit dem Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework (GBF), das 2022 verabschiedet wurde.
Auf europäischer Ebene wurden seit 2019 bedeutende Fortschritte erzielt. Ambitionierte EU-Gesetze wie EUDR, CSRD, CSDDD und das EU-Restoration Law wurden verabschiedet, welche Sorgfaltspflichten für die Wirtschaft und den Erhalt und die Wiederherstellung natürlicher Lebensgrundlagen in den Fokus stellen. Mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wurde ein Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung geschaffen.
In diesem Kontext gewinnt das Thema Sustainable Finance an Bedeutung. Finanzströme werden zunehmend auf Nachhaltigkeitskriterien ("natural capital", "dependencies on nature", "true cost accounting") ausgerichtet. Diese Verbindung zwischen Biodiversitätspolitik und nachhaltiger Finanzierung schafft Anreize für Unternehmen und Investoren, aktiv in den Schutz der biologischen Vielfalt zu investieren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die internationale und europäische Biodiversitätpolitik, dem Druck wissenschaftlicher Erkenntnisse folgend, zu einer Gesetzgebung entwickelt, die den schonenden Umgang mit Biodiversität in den Fokus stellt. Für Unternehmen bedeutet das in vielen Fällen neue Anforderungen hinsichtlich des Reporting und anderer Geschäftsbereiche. Dennoch bietet sie auch Chancen für Unternehmen durch die Gewährleistung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) sowie langfristig, den Erhalt und die Verbesserung der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen.