Was macht Audi zum Schutz der Biodiversität, Antje Arnold?

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Anlässlich der Weltnaturschutzkonferenz CBD-COP 16 hat Biodiversity in Good Company die Wirtschaftsakteure, die ein biodiversity commitment im Zuge der CBD-COP 15 abgegeben haben, befragt. In diesem Interview berichtet, Dr. Antje Arnold, was bei Audi in der Zwischenzeit zum Schutz der Biodiversität geschehen ist.

Artenreicher Blühsaum vor dem Audi-Werk / Copyright AUDI AG

Im Dezember 2022 hat die CBD (das UN-Übereinkommen über die Biologische Vielfalt) alle gesellschaftlichen Akteure dazu aufgerufen, ihr Engagement in einem biodiversity commitment sichtbar zu machen. 

Der Automobilkonzern Audi hat einen spannenden Ansatz gewählt und für sein Biodiversitätsmanagement einen eigenen Biodiversitätsindex erstellt – eine Kennzahl zur Messung und Steuerung der ergriffenen Maßnahmen.

Dazu – und wie sich Audi proaktiv mit der neuen Rechtsverordnung "Natur auf Zeit" auseinander setzt, lesen Sie hier im Interview mit Dr. Antje Arnold, Biologin und Referentin des Umweltschutzes bei Audi.

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Zur COP15 in Montreal hat Audi ein eigenes biodiversity commitment abgegeben und sich zu den Zielen der Konferenz bekannt. Anlässlich der COP16 stellt sich nun die Frage, wo steht Audi heute beim Thema Biodiversität?

Dr. Antje Arnold: Als klar wurde, dass es auf der COP15 ein gemeinsames commitment zur Förderung der Biodiversität geben würde, war uns schnell klar, dass wir uns daran beteiligen wollen. Biodiversität ist für uns kein neues Thema. Bereits 2015 ist Audi der Biodiversity in Good Company-Initiative beigetreten. Seit 2019 ist Biodiversität eines der vier zentralen Handlungsfelder in unserem Umweltprogramm Mission:Zero, neben Dekarbonisierung, Ressourceneffizienz und Wassernutzung. Um das Thema an allen Produktionsstandorten zu verankern, haben wir Expertenteams ins Leben gerufen, die standortübergreifend vernetzt sind, gemeinsam wirksame Projekte entwickeln, einheitliche Standards schaffen und Wissen teilen. Unsere Maßnahmen erstrecken sich damit über alle unsere weltweiten Produktionsstandorte und in den letzten Jahren haben wir große Fortschritte gemacht.

Wie gelingt es Ihnen, Ihre Biodiversitätsmaßnahmen über alle Produktionsstandorte hinweg strategisch zu steuern und zu koordinieren?

Arnold: Genau, das war lange eine große Herausforderung. Während sich CO₂-Emissionen oder Wasserverbrauch relativ einfach in einer Zahl ausdrücken, messen und steuern lassen, ist Biodiversität weitaus komplexer und vielschichtiger. Wir haben daher einen eigenen Biodiversitätsindex entwickelt, mit dem wir über 50 verschiedene Parameter in einer Kennzahl zusammenfassen, die uns einen klaren Überblick über den Zustand der Biodiversität an unseren Standorten gibt. Das hilft uns, nicht nur den Fortschritt zu messen, sondern auch gezielt zu steuern, welche Aktivitäten besonders wirksam sind.

Audi hat in den letzten Jahren viele Maßnahmen im Bereich Biodiversität umgesetzt. Können Sie uns dazu mehr erzählen?

Arnold: Unser Ziel ist es, den Audi Biodiversity Index bis Ende 2025 um 60 Prozent zu erfüllen, was einen großen Schritt in Richtung systematischer Biodiversitätsförderung darstellt. Wesentlich sind dabei drei Hebel: Erstens arbeiten wir daran, Freiflächen und Gebäude naturnah zu gestalten, zum Beispiel durch Fassaden- und Dachbegrünung oder naturnah gestaltete Freiflächen. Zweitens arbeiten wir eng mit Wissenschaftlern, NGOs und anderen Partnern zusammen. Und drittens setzen wir stark auf die Kommunikation und Einbindung unserer Mitarbeitenden, um ein Bewusstsein für die Bedeutung der Biodiversität und Akzeptanz für unsere Maßnahmen zu schaffen.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen?

Arnold: Eine zentrale Herausforderung ist es, diese Akzeptanz auf breiter Ebene zu verankern – bei allen Mitarbeitenden, aber gerade auch bei den Entscheidungsträgern. Naturnahe Flächen sehen oft wilder und weniger gepflegt aus als herkömmliche Grünflächen, was im industriellen Umfeld nicht immer auf Anhieb gut ankommt. Aber genau diese wilde Ästhetik bringt ja die enormen ökologischen Vorteile mit sich. Wirtschaftlich und technisch stoßen wir bei der Umsetzung ebenfalls auf Hürden. Besonders bei Bestandsgebäuden ist es schwierig, Maßnahmen wie Dach- oder Fassadenbegrünungen nachträglich zu realisieren – hier spielt die Statik eine große Rolle. Solche Projekte sind daher eher langfristig angelegt und kommen vor allem bei Neubauten voll zum Tragen. Zusätzlich haben wir es mit komplexen naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen zu tun. Wenn wir Grünflächen anlegen und damit seltene Lebensräume für geschützte Arten auf unserem Werksgelände schaffen, gilt es sorgfältig abzuwägen, welche Anforderungen sich daraus für uns ergeben und sicherzustellen, dass diese jederzeit eigehalten und die Flächen bei Bedarf auch wieder für betriebliche Zwecke genutzt werden können. 

Das klingt komplex. Wie gehen Sie mit diesen rechtlichen Anforderungen um?

Arnold: Ein wirklich spannendes Projekt in diesem Zusammenhang ist das Konzept "Natur auf Zeit". Dabei gestalten wir Flächen, die langfristig für bauliche Erweiterungen vorgesehen sind, vorübergehend naturnah. So schaffen wir wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere, ohne unsere Flexibilität zu verlieren. Obwohl die Flächen bis zu ihrer Bebauung nur vorübergehend der Natur überlassen werden, leisten wir mit dem Ansatz einen wichtigen Beitrag zur Förderung der biologischen Vielfalt. Betrachtet man das zugrundeliegende Konzept "Natur auf Zeit" auf nationaler Ebene, wird klar, wie wirkungsvoll es sein kann: Je mehr Akteure sich beteiligen, desto mehr temporäre Naturflächen entstehen bundesweit. Zwar werden diese irgendwann bebaut, doch gleichzeitig entstehen immer wieder auch neue Flächen. In der Gesamtbilanz erhöht sich damit der verfügbare Naturraum. Man kann sich das Konzept wie ein dynamisches Mosaik vorstellen. Als Gesamtbild bleibt stets ein funktionales Netzwerk erhalten, das effektiv zur Gesundheit und Stabilität der Ökosysteme und ihrer Artenvielfalt in Deutschland beiträgt. Das Konzept haben wir bereits an zwei Standorten auf insgesamt über 45 Hektar erfolgreich umgesetzt. Es zeigt, wie wir es schaffen, den Naturschutz und unsere betrieblichen Anforderungen unter einen Hut zu bringen.

Und welche Chancen bieten diese Maßnahmen für Audi?

Arnold: Unsere Biodiversitätsprojekte bieten Audi auf mehreren Ebenen Vorteile. Zum einen tragen sie maßgeblich zum Umweltschutz bei, was nicht nur unserer ökologischen Verantwortung gerecht wird, sondern auch das Vertrauen in unsere Marke stärkt. Der nachhaltige Umgang mit Flächen und Ressourcen zeigt, dass wir Umweltschutz ernst nehmen und aktiv umsetzen. Darüber hinaus erhoffen wir uns durch die naturnah gestalteten Flächen auch wirtschaftliche Vorteile. Es lässt sich vermuten, dass sie in der Pflege kostengünstiger sind, da Blühwiesen seltener gemäht werden müssen als herkömmliche Grünflächen. Aktuell laufen noch Untersuchungen, aber sollten sich diese Vermutungen bestätigen, könnten die Einsparungen langfristig zur Effizienz beitragen. Gleichzeitig schaffen wir durch unsere naturnahen Flächen eine höhere Aufenthaltsqualität für unsere Mitarbeitenden, was sich positiv auf das Arbeitsumfeld auswirkt. Ein ganz aktuelles Beispiel ist ein neu angelegtes Biotop auf über 9.000 Quadratmetern direkt auf unserem Werkgelände am Standort Ingolstadt, das von den Mitarbeitenden in den Pausen gerne als Rückzugsort genutzt wird und so für Entspannung im Arbeitsalltag sorgt. Insgesamt verbinden diese Maßnahmen ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile – und bringen uns unserem Ziel einer ganzheitlich nachhaltigen Produktion einen wichtigen Schritt näher.

Abschlussfrage: Wo sehen Sie die nächsten Schritte in Sachen Biodiversität bei Audi?

Arnold: Wir haben bereits viel erreicht und sind auf einem guten Weg, Biodiversität umfassend an unseren Standorten zu implementieren. Als nächstes Ziel wollen wir Biodiversitätsmaßnahmen auch über unsere Standorte hinaus in die vor- und nachgelagerten Teile der Wertschöpfungskette tragen – Bereiche, die nicht in unserem direkten Einflussbereich liegen, wie zum Beispiel die Ressourcengewinnung. So möchten wir nachhaltige Wertschöpfung entlang der gesamten Lieferkette schaffen.

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Dr. Antje Arnold, Biologin und Referentin des Umweltschutzes bei Audi, koordiniert alle Biodiversitätsinitiativen im Rahmen des Audi Umweltprogramms Mission:Zero.