Weltnaturkonferenz endet ohne gemeinsame Erklärung – eine verpasste Chance?

Internationales

Die diesjährige Weltnaturkonferenz (COP16) ist ohne eine klare Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Die insgesamt 20.000 Teilnehmenden aus aller Welt hatten gehofft, dass sich die Staaten auf konkrete Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität einigen würden. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass mit über 1.000 Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft das Thema Biodiversität in den Unternehmen sichtlich an Relevanz gewinnt. Einzelne Beschlüsse, wie die Stärkung der Rechte von Indigenen geben Hoffnung.

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Finanzierungsfrage bleibt ungelöst

Einer der größten Streitpunkte war die Mobilisierung der im globalen Biodiversitätsabkommen (GBF) geforderten 200 Milliarden Dollar pro Jahr, die für den Schutz und die Wiederherstellung der Natur dringend benötigt werden. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Schließung dieser Finanzierungslücke entscheidend sein wird, um die ambitionierten Ziele des GBF zu erreichen.

Nationale Aktionspläne

Die sogenannten Aktionspläne für die Nationalen Biodiversitätsstrategien (NBSAPs) wurden intensiv debattiert. Die NBSAPs sind Pläne, die jeder Vertragsstaat zur Umsetzung des Biodiversitätsabkommens auf nationaler Ebene vorlegen soll. Doch die meisten Staaten haben bislang keine umfassenden NBSAPs erstellt oder umgesetzt. Deutschland hat seine Nationale Biodiversitätsstrategie 2030 (NBS) im Rahmen der COP im Entwurf veröffentlicht und möchte die Ressortabstimmung über das Papier noch in diesem Jahr durchführen.

Wirtschaft und Finanzwesen setzen auf naturpositive Konzepte

Neben den politischen Diskussionen trugen auch Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft wesentlich zur Konferenz bei: Über 1.000 Repräsentant:innen von Banken, Unternehmen und Wirtschaftsverbänden stellten im Rahmen des Business Forums und des Finance Days naturpositive Projekte und „Best Practices“ vor. Diese Initiativen betonen, dass wirtschaftliche Interessen und Naturerhalt Hand in Hand gehen können. Insbesondere die Forderung nach einer globalen Finanzierungsstrategie zur Förderung der Biodiversität verdeutlicht, dass auch die Wirtschaft erkannt hat, dass nachhaltiges und biodiversitätsförderndes Wirtschaften kein Trend ist, sondern ein zukünftiges Modell für ökonomischen Erfolg.

Ein wichtiger Fortschritt für indigene und lokale Gemeinschaften

Ein besonders positiver Fortschritt der COP16 war die Stärkung der Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften (IPLCs), die rund 50 Prozent der Bevölkerung in Gebieten mit besonders hoher biologischer Vielfalt ausmachen. Um ihre Interessen besser zu vertreten, wurde ein permanenter Ausschuss eingerichtet, der diese Gemeinschaften unterstützen und ihre Perspektive in internationale Entscheidungsprozesse integrieren soll. Die Rolle indigener Gruppen, die seit Jahrhunderten als Bewahrer der Natur gelten, wird dadurch sichtbarer und in ihrer Bedeutung gestärkt.

Innovativer „Calí-Fonds“ zur gerechten Nutzung genetischer Ressourcen

Ein Durchbruch gelang auch mit der Schaffung des sogenannten „Calí-Fonds“, eines Finanzierungsinstruments zur gerechten Verteilung der Vorteile aus der Nutzung digitaler Sequenzinformationen (DSI). Damit werden Unternehmen, die genetische Ressourcen aus der Natur für Produkte in der Pharma- und Kosmetikindustrie nutzen, ermutigt, Länder und Gemeinschaften zu entschädigen, die diese Ressourcen bewahrt haben. Dies ist ein wegweisender Schritt, um sicherzustellen, dass die Erträge aus der Nutzung der Natur gerecht verteilt werden und damit auch den Erhalt der Biodiversität fördern.

Internationale Zusammenarbeit für Klima und Biodiversität

Die globalen Forschungseinrichtungen IPCC und IPBES betonten die Notwendigkeit, Klima- und Biodiversitätsforschung stärker miteinander zu verzahnen. Der Verlust der Biodiversität und der Klimawandel sind eng verknüpft, und eine ganzheitliche Herangehensweise ist dringend notwendig. Die Stärkung dieser Synergien könnte innovative Lösungsansätze liefern und eine zukunftsorientierte Basis für den Schutz der globalen Ökosysteme schaffen.

Positive Stimmung dank Gastgeberland Kolumbien

Kolumbien, das Gastgeberland der Konferenz, veranstaltete das Event unter dem inspirierenden Motto „Frieden mit der Natur“. Das südamerikanische Land, das selbst von einer außergewöhnlichen biologischen Vielfalt geprägt ist, sorgte für eine mitreißende und gut organisierte Veranstaltung. Diese Atmosphäre, welche auch durch die zahlreiche Anwesenheit von indigenen Vertreter:innen sichtbar wurde, unterstrich das Anliegen der COP16, dass Frieden und Naturschutz Hand in Hand gehen und gerade für biodiversitätsreiche Regionen eine überlebenswichtige Kombination sind.

Konferenz wird vertagt

Dass die Konferenz in Calí ohne Abschluss zu Ende ging, war den langen und harten Verhandlungen zuzuschreiben. Einige der Delegationen waren bereits abgereist, weil sie sich eine Umbuchung der Rückreise schlicht nicht leisten konnten. Am Samstagabend wurde die Konferenz dann abrupt unterbrochen, als bei einer formalen Anfrage nach Feststellung der Beschlussfähigkeit die notwendige Anzahl an Delegierten nicht mehr erreicht wurde. Die Konferenz wird vertagt. Es bleibt spannend, ob in den Nachverhandlungen wesentliche finanzielle Weichenstellungen beschlossen werden können.

Der Weg nach vorn: Biodiversität als globales Zukunftsmodell

Trotz der offenen Fragen und ungelösten Finanzierungsprobleme bestätigte die COP16, dass der Schutz der Biodiversität international immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dabei wird biodiversitätsförderndes Wirtschaften immer weniger als Nischenstrategie gesehen, sondern als nachhaltiges Zukunftsmodell, das auf globaler Ebene zunehmend Anerkennung findet. Die Konferenz zeigte eindrücklich, dass ein Wandel stattfindet – sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene.

Die COP16 setzte wichtige Signale und machte deutlich: Der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist längst kein Anliegen einer Minderheit mehr, sondern eine weltweite Priorität, die zunehmend als integraler Bestandteil des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts gesehen wird. Auch wenn die Verhandlungen vertagt wurden, bleibt die Hoffnung bestehen, dass in naher Zukunft eine gemeinsame Strategie entsteht, um die Ziele des Biodiversitätsabkommens zu erreichen.